Hallo Detlef,
Post by GulpPost by Detlef MüllerPost by Gulpim Sozialrecht gibt es eine sogenannte "Angemessenheitsmiete" (vgl. z. B.
§ 22 SGBII) die statistisch ermittelt wird. Und ich frage mich, ob
die Berechnung für Berlin zu einem tragfähigem Ergebnis kommt. Die
Senatsverwaltung für Soziales ermittelt die Angemessenheitsmiete für
Wohnungen mit geringem Standard (mehr sollen die betroffenen
Personen ja nicht bekommen) mittels gewichteter Mittelwerte über die
Mittelwerte des Mietspiegels für Wohnungen mit mittlerem Standard.
Bei den Mittelwerten des Mietspiegels handelt es sich natürlich um
Mediane.
Kann man so rechnen?
[...]
Ohne z.B. die Gewichtungen (und Begründungen dafür) zu kennen, kann
man sich wohl auch schwer über Gerechtigkeitsfragen etc. entrüsten
oder über Schwächen in der Berechnung philosophieren ...
Seit wann kann man Mediane denn wichten und erwarten einen Median zu
erhalten, der irgendetwas aussagt? Oder einen Mittelwert, der etwas
aussagt?
Da sehe ich prinzipiell erst einmal kein Problem, natürlich ergibt das
Ergebnis keinen Median, aber einen Mittelwert.
Bei arithmetischen Mittel kann man so rechnen, weil sie als
(\sum_{i} x)/n definiert sind (mit n Anzahl). Der Term (\sum_{i} x)/n
multipliziert mit n ergibt \sum_{i} x. Mehrere Summen können addiert
werden und wenn man dieses Ergebnis mit der Gesamtanzahl teilt, erhält
man genau den gleichen Wert, als würde man den Mittelwert vollständig neu
berechnen. Hier kann zurückgerechnet werden. Bei Medianen geht das AFAIK
eben gerade nicht.
[...]
Post by Gulpscheinen mir zumindest angemessen. Es geht mir hier nicht um
Gerechtigkeitsfragen, sondern wurde richtig gerechnet.
Das Bundessozialgericht (und nicht etwa jemand, der sich damit
1. Es werden die Mediane der Mietspiegelfelder der einfachen Wohnlage
für Wohnungen der Größe 40 m^2 bis 60 m^2 herangezogen.
Bereits das erscheint mir falsch. Die Mediane bilden die mittlere
Ausstattung ab, nicht die geforderte einfache.
Anscheinend wird davon ausgegangen, daß in einfachen Wohnlagen vermehrt
Wohnungen mit einfacher Ausstattung sein werden.
Durch Median - Bildung wird der imo berechtigten Einwand entkräftet, daß
wenige Luxus-Wohnungen das arithmetische Mittel unzulässig anheben
würden (der Median gilt ja als besonders robust gegen "Ausreißer").
Vielleicht ein Trick, um nicht Details von Wohnungsausstattungen erheben
zu müssen, was vielleicht erheblichen Verwaltungsaufwand und Eingriffe
in Privatsphären bei der Erhebung bedeuten würde.
Die Willkür hierbei ist natürlich nun "einfache Wohnlagen"
herauszupicken.
Da es um Gesetzgebung geht, dürfte irgend eine Willkür unvermeidlich
sein ... imo sollte diese dann möglichst transparent sein.
Nein. Der Mietspiegel unterscheidet hier strikt zwischen Wohnlage und
Ausstattung. Die Wohnlage zusammen mit der Größe gibt die Zeile vor, in
der gesucht werden muss. Daneben gibt es noch das Baualter, das die
Spalte vorgibt. Das Baualter darf nach BSG jedoch keine Rolle spielen.
Die Ausstattung führt dann zu einem Wert zwischen der oberen und unteren
Schranke. Für Luxuswohnungen in einfacher Wohnlage bezahlt man die obere
Schranke, für einfache Ausstattung die untere und für den Durschnitt den
Median. Es gibt ein Puktesystem nach Ausstattung, das dann feinere
Unterscheidungen erlaubt.
Post by Gulp2. Um den Quadratmeterpreis zu ermitteln werden aus den Medianen dann
ein gewichteter Mittelwert gebildet, gewichtet nach der Anzahl der
Wohnungen, die zur Berechnung des jeweiligen Medians herangezogen
wurden.
Nach dem potentiellen (ich weiss nicht wirklich, ob es keine klare
Definition für "Einfache Wohnlage" existiert) Willkür-Akt die für die
Berechnung relevanten "Teilpopulationen" zu wählen, wird nun der
Mittelwert aus den mittels Median gefundenen typischen qm-Preisen
gebildet.
Ja. Kurz gesagt, "einfach" ist da, wo es laut und dreckig ist. Dafür gibt
es im Mietspiegel eine Karte (und Online eine Hausnummergenaue Abfrage).
Post by GulpDas Bundessozialgericht behandelt die Mediane also, als wären sie
arithmetische Mittel. Seit wann geht das, um belastbare Ergebnisse zu
erhalten?
Da sehe ich erst einmal keinen Haken - vielleicht kann sich dazu auch
mal ein Statistiker äußern ...
Die Gewichtung nach der Größe der Wohngebiete scheint erst einmal
logisch, da die Wohnungswahl ja nicht so ganz frei ist, und nicht alle
die Chance auf eine der günstigen Wohnungen um die Kläranlage oder am
Flughafen haben.
Ebenda liegt die einfache Wohnlage. Es wird auch keine Gewichtung nach
der Größe der Wohngebiete vorgenommen, sondern eine Wichtung nach der
Anzahl der Wohnungen, die in die Berechnung des Mietspiegels eingeflossen
sind.
Post by GulpMeiner Ansicht ist die Berechnung überflüssig, weil der Mietspiegel als
statistische Auswertung das Ergebnis bereits liefert. Die höchste
untere Schwellenwert der jeweiligen Mietspiegelfelder für Wohnungen in
einfacher Wohnlage der Größe 40 m^2 bis 60 m^2 ist der gewünschte
Betrag.
Mir ist nicht ganz klar, was hiermit gemeint ist. Der Median der
Mediane?
Eben und er gibt die mittlere Ausstattung wieder. Die einfache
Ausstattung gibt die jeweilige untere Schranke der Spalte (die nach dem
Baualter geht und nicht berücksichtigt werden darf). Folge der
Unbeachtlichkeit ist IMHO, die höchste untere Schranke in der jeweiligen
Zeile zählt.
Post by GulpMein Ergebnis wäre also konkret 6,90 EUR/m^2, Ergebnis nach BSG ist
6,46 EUR/m^2. Welches ist richtig?
Ich vermute mal, "richtig" und "falsch" sind hier nicht die passenden
Kategorien.
Ein Statistiker mag mich korrigieren, aber grobe Fehler kann ich im
Vorgehen nach BSG erst einmal nicht sehen.
Wohl kann man fragen, welches Vorgehen plausibler und der Situation und
der Idee einer "Angemessenheitsmiete" entspricht (wieder eine
Sinnfrage).
So eine Idee könnte z.B. sein, sicher zu stellen, daß eine gewisser
Prozentsatz der Wohnungen im "ist-Zustand" zur zu bestimmenden
Angemessenheitsmiete auch real verfügbar ist ...
Das kommt erschwerend hinzu.
Da wird es schwer, haben wir zwei "Teilpopulationen"
{1,1,10} und {9,9,10}, wären die Mediane 1 bzw. 9, von denen der
arithmetische Mittelwert (und auch der Median) wäre 5.
Dummer Weise fallen dann nur zwei der 6 Werte darunter.
Für 50% Abdeckung wäre der Gesamt - Median von {1,1,9,9,10,10} also 9
der "richtige" Wert.
Soweit ein an den Haaren herbei gezogenes Beispiel ...
Soweit ist das gar nicht an den Haaren herbeigezogen.
Vermutlich ist dabei in erster Linie klar geworden, daß ich keinen
Schimmer habe, was eine "Angemessenheitsmiete" bezwecken soll :)
Sie soll sicher stellen, dass ein Betroffener seine Wohnung behalten
kann, wenn sie preiswert genug ist und gleichzeitig sicher stellen, dass
er sich eine neue (preiswertere) Wohnung beschaffen kann, wenn sie zu
teuer ist.
Aspekte der Modellierung könnten auch sein, in wie fern das Modell z.B.
Mietpreise nach oben treiben könnte (Vermieter über Sozialausgaben
subventioniert), zu Härtefällen, Landflucht etc.
führt.
Diese Aspekte sind unbeachtlich. Es geht einzig und allein darum zu
entscheiden, ob eine Wohnung unangemessen teuer ist.
Post by GulpMöglicherweise lässt sich jetzt ja diskutieren.
Wenn die Vorgaben klarer definiert sind, meldet sich ja vielleicht noch
ein statistisch besser bewanderter dazu.
OK, falls ein Statistiker sich über den Satz "Traue niemals einer
Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast" aufregt und in diesem Fall
den Gesetzgeber (oder da Gericht) der Vorlage einer fehlerhaften
Statistik überführen möchte, können Fragen gerne per PM an mich gestellt
werden (die E-Mail-Adresse sollte funktionieren).
Ansonsten werde ich meine Einwände wohl noch etwas besser strukturieren
müssen und dabei auch die Struktur eines Mietspiegels beschreiben. Also
irgendwann in der mehr oder weniger nahen oder weiten Zukunft.
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Gulp