Discussion:
Wartezeitparadox
(zu alt für eine Antwort)
joe
2003-07-02 10:35:10 UTC
Permalink
Hallo,
kann mir jemand einmal das Wartezeitparadox(on) in einfachen Worten,
ggf. an einem Beispiel (Bus, fährt alle 10 min), näher bringen.
Vielen Dank
Jakob Creutzig
2003-07-02 10:46:33 UTC
Permalink
Post by joe
Hallo,
kann mir jemand einmal das Wartezeitparadox(on) in einfachen Worten,
ggf. an einem Beispiel (Bus, fährt alle 10 min), näher bringen.
Auswendig grad nicht, aber es wird wunderschoen im Feller (1. Band)
erklaert, der in jeder Mathebib herumstehen sollte.

Best,
Jakob
Michael Kauffmann
2003-07-02 15:35:37 UTC
Permalink
===========
Bus, fährt alle 10 Minuten. Mittlerer Abstand
zwischen zwei Bus-Ankünften ist also 10 Minuten.
Logo.
Und wie lange muss man im Mittel warten, bis
ein Bus kommt, wenn man sich "irgendwann" an
die Haltestelle stellt?
Halb so lange, also 5 Minuten.
Auch logo, denn in der Hälfte der Fälle ist er
gerade weg und in der anderen Hälfte der Fälle
kommt er bald.
===========
Anhalter steht an einem Punkt, an dem im Mittel
alle 10 Minuten ein Auto vorbeikommt.
Autos kommen aber nicht getaktet (wie in Beispiel
1 der Bus) sondern "wild zufällig"(*).
Dann muss der Anhalter im Mittel nicht 5 sondern
10 Minuten warten, bis ein Auto vorbeikommt,
Genau 10 Minuten ist die mittlere Wartezeit bis zum nächsten Auto,
wenn eines vorbei ist. Aber das ist beim Bus ja auch so.

Ist die mittlere Wartezeit bis zum ersten Auto tatsächlich gleich groß?
Ist das dann alleine schon das Paradox?
(*) Gemeint ist, dass die Ankunft eines Autos
völlig unabhängig ist von der der Vorgänger. Man
spricht dann von einer Exponential-Verteilung,
wenn ich mich recht erinnere.
Ist das nicht Poisson?

Michael Kauffmann
Roland Franzius
2003-07-02 15:52:16 UTC
Permalink
Post by Michael Kauffmann
===========
Bus, fährt alle 10 Minuten. Mittlerer Abstand
zwischen zwei Bus-Ankünften ist also 10 Minuten.
Logo.
Und wie lange muss man im Mittel warten, bis
ein Bus kommt, wenn man sich "irgendwann" an
die Haltestelle stellt?
Halb so lange, also 5 Minuten.
Auch logo, denn in der Hälfte der Fälle ist er
gerade weg und in der anderen Hälfte der Fälle
kommt er bald.
===========
Anhalter steht an einem Punkt, an dem im Mittel
alle 10 Minuten ein Auto vorbeikommt.
Autos kommen aber nicht getaktet (wie in Beispiel
1 der Bus) sondern "wild zufällig"(*).
Dann muss der Anhalter im Mittel nicht 5 sondern
10 Minuten warten, bis ein Auto vorbeikommt,
Genau 10 Minuten ist die mittlere Wartezeit bis zum nächsten Auto,
wenn eines vorbei ist. Aber das ist beim Bus ja auch so.
Ist die mittlere Wartezeit bis zum ersten Auto tatsächlich gleich groß?
Ist das dann alleine schon das Paradox?
(*) Gemeint ist, dass die Ankunft eines Autos
völlig unabhängig ist von der der Vorgänger. Man
spricht dann von einer Exponential-Verteilung,
wenn ich mich recht erinnere.
Ist das nicht Poisson?
Die Anzahl der Ereignisse pro Intervall ist Poisson-, die Wartezeit bis
zum nächsten Ereignis ist exponentialverteilt.
--
Roland Franzius
Rainer Rosenthal
2003-07-02 16:27:43 UTC
Permalink
Post by Michael Kauffmann
===========
Anhalter steht an einem Punkt, an dem im Mittel
alle 10 Minuten ein Auto vorbeikommt.
Autos kommen aber nicht getaktet (wie in Beispiel
1 der Bus) sondern "wild zufällig"(*).
Dann muss der Anhalter im Mittel nicht 5 sondern
10 Minuten warten, bis ein Auto vorbeikommt,
Genau 10 Minuten ist die mittlere Wartezeit bis zum nächsten Auto,
wenn eines vorbei ist. Aber das ist beim Bus ja auch so.
Ist die mittlere Wartezeit bis zum ersten Auto tatsächlich gleich groß?
Ist das dann alleine schon das Paradox?
Ha ja, allein, dass etwas grösser als 5 Minuten rauskommt,
ist verblüffend genug für jemanden, der sich mit sowas
nie beschäftigt hat. Wenn Du dem Anhalter (der Anhalterin)
sagst, dass an diesem Punkt im Schnitt alle 10 Minuten
ein Auto vorbeikommt, dann wird er/sie sich sagen: hmm,
entweder bin ich gerade zu spät gekommen oder es kommt recht
bald eins vorbei. Muss ich also wohl mit ca. 5 Minuten
Wartezeit rechnen. Eklig wird es dann, wenn es sich um eine
sehr abgelegene Gegend und bloss ein Auto pro Tag im Mittel
handelt. Denn ob ich nun ein paar Stunden oder mehrere Tage
warten muss, das macht in der Praxis dann doch schon einen
bösen Unterschied.

In dem letzteren Fall hat man dann allerdings Zeit, sich das
Phänomen genauer zu durchdenken :-)
Post by Michael Kauffmann
(*) Gemeint ist, dass die Ankunft eines Autos
völlig unabhängig ist von der der Vorgänger. Man
spricht dann von einer Exponential-Verteilung,
wenn ich mich recht erinnere.
Ist das nicht Poisson?
Also gut, zum Bücherschrank:

If the interarrival times are exponentially distributed
(that is they form a Poisson arrival process) ...

übersetzt:

Wenn die Zeiten zwischen aufeinander folgenden Ankunfts-
ereignissen exponential verteilt sind (d.h. wenn sie
einen Poisson-Prozess bilden), dann ...

gefunden in Band 2, Seite 6 in

Leonard Kleinrock: Queuing Systems
John Wiley & Sons 1975 (2 Bände)
Volume I: Theory
Volume II: Computer Applications

Philosophischer Nachgedanke: Ein kleineres Mittel als die
5 Minuten für die Wartezeit geht sicher nicht, wenn
das Mittel der Ankunftsintervalle 10 Minuten ist. Diese
untere Grenze wird genau beim stur getakteten Betrieb
erreicht. Das erinnert mich an den absoluten Temperatur-
Nullpunkt, der auch nur erreicht wird, wenn alles stur und
starr ist.
Und wem das noch nicht philosophisch genug ist, für den habe
ich noch einen Nachschlag: Vor wenigen Tagen hatte ich nämlich
(und das bei Affenhitze auf der Terrasse!) plötzlich die
Assoziation: Mathematik <==> absoluter Nullpunkt. Hier ist,
was ich auf meinem Schmierzettel stehen habe:

Mathe ist wie Supraleitung:
Alles fixiert - Eiseskälte!
Konservativ - Ewig

Wie gesagt, es war sehr heiss. Andere kriegen bei sowas einen
Sonnenstich ;-)

Gruss,
Rainer Rosenthal
***@web.de
joe
2003-07-02 18:07:10 UTC
Permalink
Post by joe
kann mir jemand einmal das Wartezeitparadox(on) in
einfachen Worten, ggf. an einem Beispiel (Bus, fährt
alle 10 min), näher bringen.
Bildung ist, wenn man alles vergessen hat, pflegte
mein Deutschlehrer zu sagen. Dies Paradoxon hat mir
aber anno Schnee sehr gut gefallen, so dass ich es
===========
Bus, fährt alle 10 Minuten. Mittlerer Abstand
zwischen zwei Bus-Ankünften ist also 10 Minuten.
Logo.
Und wie lange muss man im Mittel warten, bis
ein Bus kommt, wenn man sich "irgendwann" an
die Haltestelle stellt?
Halb so lange, also 5 Minuten.
Auch logo, denn in der Hälfte der Fälle ist er
gerade weg und in der anderen Hälfte der Fälle
kommt er bald.
===========
Anhalter steht an einem Punkt, an dem im Mittel
alle 10 Minuten ein Auto vorbeikommt.
Autos kommen aber nicht getaktet (wie in Beispiel
1 der Bus) sondern "wild zufällig"(*).
Dann muss der Anhalter im Mittel nicht 5 sondern
10 Minuten warten, bis ein Auto vorbeikommt, das
ihn mitnehmen könnte (ob er mitgenommen wird,
hängt davon ab, ob er Raucher ist oder aussieht
wie Jennifer Lopez, gehört also in einen anderen
bereich der Stochastik :-)
Das Paradoxe ist also die unterschiedliche mittlere
Wartezeit bei gleichem Mittel der "Server-Zeit".
Die Sache mit den Frühausfällen bei der Glühlampen-
produktion gehört glaube ich auch hierher, aber
hier ist ein guter Punkt erreicht, das Posting zu
beenden.
(*) Gemeint ist, dass die Ankunft eines Autos
völlig unabhängig ist von der der Vorgänger. Man
spricht dann von einer Exponential-Verteilung, wenn
ich mich recht erinnere. Es ist weder ausgeschlossen,
dass 6 Autos im Abstand von 3 Sekunden an ihm vorbei-
zischen (Raucher) oder die Weiterfahrt gleich beim
nächsten Auto gelingt (Jennifer Lopez), allerdings
erst nach viereinhalb Stunden.
Viel Spass mit Stochastik! Es ist sowas wie Jura für
Mathematiker, würde ich mal sagen. "Unser Kurt Watzka"
ist da der Spezialist für alle Lebenslagen :-)
Gruss,
Rainer Rosenthal
Hallo Rainer,
kapiert. Besten Dank für Deine Erklärung. Im Zusammenhang mit solchen
Bus-Wartezeit-Beispielen habe ich noch leise im Ohr, dass so ein
Prozess auch einer Poisson-Verteilung entsprechen kann. Kann das
tatsächlich der Fall sein? Wenn ja, wie würde denn ein solches
Beispiel aussehen?
Nochmals vielen Dank für einen Hinweis.
Horst Kraemer
2003-07-02 21:24:59 UTC
Permalink
Post by joe
kapiert. Besten Dank für Deine Erklärung. Im Zusammenhang mit solchen
Bus-Wartezeit-Beispielen habe ich noch leise im Ohr, dass so ein
Prozess auch einer Poisson-Verteilung entsprechen kann. Kann das
tatsächlich der Fall sein? Wenn ja, wie würde denn ein solches
Beispiel aussehen?
Nochmals vielen Dank für einen Hinweis.
Das sogenannte "Paradox", dass der Erwartungswert der Wartezeit ab
irgendeinem Zeitpunkt auf ein Ereignis gleich dem mittleren Abstand
des Eintreffens zweier aufeinanderfolgender Ereignisse ist -
unabhaengig davon, wie lange das letzte Ereignis her ist - entsteht
doch gerade dann und nur dann, *wenn* die Ereignisse einen
Poisson-Prozess bilden.

Dies ist gleichbedeutend damit, dass der zeitliche Abstand zweier
aufeinanderfolgender Ereignisse eine Exponentialverteilung hat. Und
die Exponentialverteilung ist die einzige stetige "gedaechtnislose"
Verteilung, d.h. die einzige stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung,
bei der die Verteilung der Wartezeit auf das naechste Ereignis
unabhaengig von der Zeit ist, die man bereits gewartet hat.

In der Praxis ist dies allerdings bei Bussen auch nicht
annaeherungsweise der Fall - zumindest nicht in Mitteleuropa ;-)

MfG
Horst
Klaus Nagel
2003-07-02 19:41:22 UTC
Permalink
Post by joe
kann mir jemand einmal das Wartezeitparadox(on) in einfachen Worten,
ggf. an einem Beispiel (Bus, fährt alle 10 min), näher bringen.
Mir fiel dazu ein anderes Paradoxon ein.
Ein Mann verläßt täglich sein Büro, ohne zur Uhr zu schauen. Er geht zur
Straßenbahnhaltestelle. Dort kommt die Linie Acht und die Linie Zehn
vorbei, beide fahren im 10-Minutentakt. Die Acht fährt zu seiner Frau,
die Zehn zu seiner Freundin. Um gerecht zu sein und beiden gleiche
Chancen zu geben, steigt er immer in die zuerst kommende Linie ein.
Trotzdem landete er über einen längeren Zeitraum in 70% der Fälle bei
seiner Freundin. Wie kommt das?

Gruß,
Klaus Nagel
Ignaz Bogner
2003-07-02 20:10:07 UTC
Permalink
Post by Klaus Nagel
Mir fiel dazu ein anderes Paradoxon ein.
Ein Mann verläßt täglich sein Büro, ohne zur Uhr zu schauen. Er geht
zur Straßenbahnhaltestelle. Dort kommt die Linie Acht und die Linie
Zehn vorbei, beide fahren im 10-Minutentakt. Die Acht fährt zu seiner
Frau, die Zehn zu seiner Freundin. Um gerecht zu sein und beiden
gleiche Chancen zu geben, steigt er immer in die zuerst kommende
Linie ein. Trotzdem landete er über einen längeren Zeitraum in 70%
der Fälle bei seiner Freundin. Wie kommt das?
Cool :-))
Wahrscheinlich wie von Paul Ebermann gesagt: Man gerät eher in ein
längeres als ein kurzes Intervall. Das längere Intervall ist dann
das, nachdem die Tram zu seiner Freundin kommt.
Also ist zwischen Tram/Frau und Tram/Freundin weniger Zeitabstand als
zwischen Tram/Freundin und Tram/Frau. So hab ich das jedenfalls
verstanden ;)

MfG
Ignaz Bogner
2003-07-02 20:11:42 UTC
Permalink
Post by Ignaz Bogner
Cool :-))
Wahrscheinlich wie von Paul Ebermann gesagt: Man gerät eher in ein
längeres als ein kurzes Intervall. Das längere Intervall ist dann
das, nachdem die Tram zu seiner Freundin kommt.
-------

was doch ein Leerzeichen für einen Sinnunterschied machen kann ...
soll heißen "nach dem" = "nach welchem"
Post by Ignaz Bogner
Also ist zwischen Tram/Frau und Tram/Freundin weniger Zeitabstand als
zwischen Tram/Freundin und Tram/Frau. So hab ich das jedenfalls
verstanden ;)
Patrick Roocks
2003-07-04 20:53:54 UTC
Permalink
Post by Klaus Nagel
Post by joe
kann mir jemand einmal das Wartezeitparadox(on) in einfachen Worten,
ggf. an einem Beispiel (Bus, fährt alle 10 min), näher bringen.
Mir fiel dazu ein anderes Paradoxon ein.
Ein Mann verläßt täglich sein Büro, ohne zur Uhr zu schauen. Er geht zur
Straßenbahnhaltestelle. Dort kommt die Linie Acht und die Linie Zehn
vorbei, beide fahren im 10-Minutentakt. Die Acht fährt zu seiner Frau,
die Zehn zu seiner Freundin. Um gerecht zu sein und beiden gleiche
Chancen zu geben, steigt er immer in die zuerst kommende Linie ein.
Trotzdem landete er über einen längeren Zeitraum in 70% der Fälle bei
seiner Freundin. Wie kommt das?
Nehmen wir mal eine feste Zeit x an. Wenn die Linie 8 um
x(n) = 10 * n + 3
kommt und die Linie 10 um
x(n) = 10 * n
kommt, dann müsste die Verteilung doch so sein, oder?

Patrick
Post by Klaus Nagel
Gruß,
Klaus Nagel
Patrick
Rene
2003-07-03 08:33:43 UTC
Permalink
Also, wirklich erklärt wurde in diesem Thread das Paradoxon nicht. Ich nehme
diese Herausforderung an, und ich glaube, ich habe eine einfache und
einleuchtende Erklärung.

Wie immer ist es günstig, sich ein Zufallsexperiment auszudenken, das die
Sachlage simuliert. Beim Bus ist der Zufall nur im Zeitpunkt am Werke, zu
dem man an der Haltestelle ankommt. Die Abfahrtszeiten alle 10 Minuten
stehen fest. Man sieht ein, dass die mittlere Wartezeit 5 Minuten ist.

Um die Autos zu simulieren, verteilt man n Autos über 10n Minuten mit einem
riesig großen n, so dass jedes Auto die gleiche Chance hat, zu irgendeinem
Zeitpunkt dieser 10n Minuten vorbei zu kommen (Gleichverteilung). Klar ist
doch, dass der mittlere Abstand zwischen zwei Autos 10 Minuten ist, weil der
Gesamtabstand fast 10n ist und es n Autos gibt. Das ist bei den Bussen
allerdings genau dasselbe.

Nun wählen wir zusätzlich noch einen zufälligen Zeitpunkt für den Anhalter.
Das ist dasselbe, wie wenn man n+1 Zeitpunkte gleichverteilt wählt. Gerade
eben haben wir eingesehen, dass der mittlere Abstand zweier solcher
Zeitpunkte 10 Minuten ist (wenn n sehr groß ist). Denn ein Zeitpunkt mehr
oder weniger ändert daran auch nichts.

Uff. Immerhin habe ich die Erwähnung der Exponentialfunktion vermieden.

Klar?
Post by joe
Hallo,
kann mir jemand einmal das Wartezeitparadox(on) in einfachen Worten,
ggf. an einem Beispiel (Bus, fährt alle 10 min), näher bringen.
Vielen Dank
Rainer Rosenthal
2003-07-03 09:36:35 UTC
Permalink
zum Thema
Post by joe
kann mir jemand einmal das Wartezeitparadox(on)
in einfachen Worten, ggf. an einem Beispiel
(Bus, fährt alle 10 min), näher bringen.
Also, wirklich erklärt wurde in diesem Thread
das Paradoxon nicht.
Doch. Paul Ebermann schrieb nämlich treffend:

Anschaulich erklären kann man sich das damit, dass
die Wahrscheinlichkeit, lange Intervalle zu treffen,
größer ist, als die, kurze Intervalle zu treffen.

Ausserdem wollte der OP das Paradoxon "näher gebracht" haben,
also überhaupt erst mal wissen, was denn an der Situation
paradox sein solle. Und das wiederum habe ich so getan,
dass ich erfreut lesen durfte:

kapiert. Besten Dank für Deine Erklärung.

Dein Beitrag gehört irgendwie nochmal überarbeitet :-)

Gruss,
Rainer Rosenthal
***@web.de
Rene
2003-07-04 05:38:01 UTC
Permalink
Post by Rene
Also, wirklich erklärt wurde in diesem Thread
das Paradoxon nicht.
Du hast natürlich recht. Das Paradoxon wurde sowohl beschrieben, als auch
plausibel gemacht, warum die beiden Situationen nicht gleich sind.

Unter "Erklären" habe ich was anderes verstanden, nämlich einen Beweis,
warum die Wartezeit einmal 5 und dann 10 Minuten ist.

Sorry.
Horst Kraemer
2003-07-04 18:43:39 UTC
Permalink
Post by Rene
Post by Rene
Also, wirklich erklärt wurde in diesem Thread
das Paradoxon nicht.
Du hast natürlich recht. Das Paradoxon wurde sowohl beschrieben, als auch
plausibel gemacht, warum die beiden Situationen nicht gleich sind.
Unter "Erklären" habe ich was anderes verstanden, nämlich einen Beweis,
warum die Wartezeit einmal 5 und dann 10 Minuten ist.
Bei dem "unregelmaessigen" Modell wird angenommen, dass fuer jedes
beliebige Zeitintervall (t0,t0+T] gilt: Die Wahrscheinlichkeit, dass
im Intervall (t0,t0+T] k Ereignisse eintreten (dass k Busse ankommen)
ist eine Poisson-Verteilung mit Mittelwert c*T, d.h.

(cT)^k
P(n=k) = ------ exp(-cT)
k!

Dabei sollen die Warscheinlichkeiten fuer disjunkte Intervalle
unabhaengig sein.

In unserem Beispiel waere c = 0.1 (Ereignisse pro Minute)

So einen Prozess nennt man Poisson-Prozess.

Wenn wir also zu einem bestimmten Zeitpunkt t0 eintreffen, betraegt
die Wahrscheinlichkeit, dass der naechste Bus im Intervall (t0,t0+T]
eintrifft, also

F(t) = 1 - exp(-cT)

(1 - Wahrscheinlichkeit, dass in (t0,t0+T], kein Bus eintrifft)

Der Erwartungswert dieser Verteilung ist 1/c, hier also 10 min.

Den mittleren Abstand zweier aufeinander folgender Ereignisse ergibt
sich auf die gleiche Weise. Das Paradoxon erklaert sich dadurch, dass
fuer einen beliebigen Zeitpunkt t0 der mittlere Abstand zwischen dem
letzten bis t0 eingetretenen Ereignis und dem ersten nach t0
eingetretenen Ereignis offensichtlich 2/c ist, also doppelt so gross
wie der mittlere Abstand zweier aufeinander folgender Ereignisse ist.
Dies ist auch intuitiv klar, das es ja "mehr" Zeitpunkte gibt, die in
grossen Intervallen liegen, also solche, die in kleinen Intervallen
liegen.


MfG
Horst
Rene
2003-07-05 09:19:29 UTC
Permalink
Post by Rene
Uff. Immerhin habe ich die Erwähnung der Exponentialfunktion vermieden.
Wegen einer Nachfrage hier also die Erklkärung der Exponentialverteilung.
Man braucht allerdings ein wenig Analysis.

Wenn also n Ereignisse in einem Zeitintervall von 10n gleichmäßig verteilt
werden, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einem Zeitintervall der
Länge d kein Ereignis liegt, gleich

((10n-d)/(10n))^n = (1-d/(10n))^n

Denn es müssen ja alle n Ereignisse in einem Bruchteil (10n-d)/(10n) der
Zeit liegen. Dieser Ausdruck strebt für n->unendlich gegen

e^(-d/10).

Die Wahrscheinlichkeit, dass also mindestens ein Ereignis in den nächsten d
Minuten stattfindet, ist

1-e^(-d/10) = Integral von 0 bis d von 1/10 e^(-t/10) dt.

Daher die exponentielle Wartezeitenverteilung 1/10 e^(-t/10). Die mittlere
Wartezeit ist

Integral von 0 bis Unendlich von t/10 e^(-t/10) dt = 10.

Leonhard Vogt
2003-07-03 08:39:27 UTC
Permalink
===========
Anhalter steht an einem Punkt, an dem im Mittel
alle 10 Minuten ein Auto vorbeikommt.
Autos kommen aber nicht getaktet (wie in Beispiel
1 der Bus) sondern "wild zufällig"(*).
(*) Gemeint ist, dass die Ankunft eines Autos
völlig unabhängig ist von der der Vorgänger. Man
spricht dann von einer Exponential-Verteilung, wenn
Und eine Exponential-Verteilung ist ohne Erinnerung
(die einzige stetige Verteilung ohne Erinnerung?)
das heisst wenn X~E(lambda)
P( X < x+y | X >= y ) = P( X < x ) x,y \in R+

das heisst wenn ich schon y Minuten warte ist die
Restwartezeit die gleiche (hat die gleiche Verteilung)
wie als ich begann zu warten.

Leonhard
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