Post by Klaus H.Post by Martin VaethUnd damit beißt sich die Katze in den Schwanz.
Genau das ist der Grund, weshalb ich überhaupt etwas gepostet habe.
Ja, das ist aber Mathematikern seit mehr als einem Jahrhundert
bekannt. Ich gebe unten nochmals eine Plausibilitätserklärung
für das Problem, obwohl ich das schon in meinem Posting über
Nichtstandard-Analysis getan habe; leider ist diese Erklärung
dort anscheinend nicht verstanden worden (zumindest ist niemand
darauf eingegangen, obwohl dies der Hauptzweck des Posings war).
Ein formalerer Beweis, dass dieses Problem prinzipieller Natur
ist, wird letztlich durch Gödels Unvollständigkeitssatz gegeben,
wenn man ihn richtig interpretiert, aber darauf möchte ich jetzt
nicht eingehen.
Ohnehin wird dies hier voraussichtlich mein letztes Posting
in dieser Gruppe auf absehbare Zeit zu diesem Thema sein, da der
Gruppentroll leider meine Postings offensichtlich zum Anlass nimmt,
schon wieder sein vollkommenes Unverständnis in die Welt blasen:
Da sich über das Thema leicht allgemeiner Unsinn schwadronieren
lässt - wenn man die wesentlichen Details ignoriert - wären
weitere Posting nur Trollfütterung.
Post by Klaus H.Post by Martin VaethWenn Du nicht
irgendeine mächtige Theorie hernimmst
(wie ZF [mit Unendlichkeitsaxom], in der das
Induktionsprinzip ein beweisbarer *Satz* ist), musst Du es
schlichtweg als gültig (für die natürlichen Zahlen) voraussetzen.
Man sollte sich aber ständig Rechenschaft drüber ablegen, welche
'mächtigen' Voraussetzungen (einschließlich aller verdeckten) man
benutzt (benutzen muß), und welche Konsequenzen jede(!) davon hat.
Das macht man in der Mathematik üblicherweise durch Reduktion des
Schlusses auf gegebene Axiome. Natürlich wird man das in der Praxis
bei komplizierten Sachverhalten niemals vollständig aufschreiben,
aber ein durchschnittlich guter Mathematiker sollte über genügend
Übung verfügen, dass er auch bei komplizierten Beweisen zumindest
*prinzipiell* in der Lage wäre, diese Reduktion durchzuführen.
(Fehler sind aber menschlich und kommen immer wieder vor.)
Post by Klaus H.Post by Martin Vaeth„Erinnern an” ist vollkommen richtig: Praktisch jeder Mathematiker
benutzt solche Alltagserfahrungen. Allein: Diese haben keine
Beweiskraft und können höchstens anhand von konkreten Beispielen überprüfen,
ob ein Satz über alle natürliche Zahlen oder allgemeine Dreiecke auch
tatsächlich für *alle* natürliche Zahlen oder natürlichen Dreiecke gilt. >
Die Kunst der (herkömmlichen) Mathematik besteht darin, aus
den Axiomen dann allgemeine (in der Regel nicht triviale) Sätze
herzuleiten. Wie gesagt lassen sich die meisten Mathematiker dabei
von Ideen aus Alltagserfahrungen inspirieren.
Dieser Biß der Katze in ihren Schwanz kann (unbemerkt?) beliebig viele
verdeckte Annahmen reinbringen.
Deswegen habe ich auch die Terminologie „inspirieren“ benutzt:
Die Ideen kommen in der Regel von außerhalb. Solange sie aber nicht
zu einem wasserdichten Beweis (der zumindest prinzipiell bis zu den
Axiomen hinunterführt) zusammengeklöppelt werden, sind sie nur
Vermutungen und noch keine Mathematik.
Post by Klaus H.Das ist kein Problem, solange man reflektiert, welche drin sind
*Deswegen* wird in der Mathematik nur das als richtig anerkannt,
was unter etablierten Axiomen (etwa ZF, ev. mit einer Variante
des Auswahlaxioms) formal beweisbar ist.
(Natürlich gibt es auch Grundlagenforschung über Logik und Axiome
selbst, aber diese erlangen nur in verschiedenen Ausnahmefällen
praktische Bedeutung.)
Post by Klaus H.Es wird aber ein gewaltiges
Problem, sobald jemand anfängt, mathematische Modelle von 'Realität' zu
entwerfen. Dann wandeln sich verdeckte Annahmen durch ihre Anwesenheit
in zahllosen Schlußketten zu als auch außerhalb aller Mathematik als
'wahr' (nämlich mathematisch begründbar) anzusehenden Folgerungen
Das Problem bei solchen Modellierungen sind nicht die mathematischen
Axiome oder die Folgerungen innerhalb des Modells: Die Mathematik ist
da normalerweise schon richtig (menschliche Fehler mal ausgenommen).
Das Problem ist vielmehr, dass das Modell oft nicht stimmt, oder
zu sehr vereinfacht. Gerade bei Wirtschaftsmodellen, die Du nennst,
passiert das wohl sehr oft.
Das Problem, ob ein Modell die Realität widerspiegelt, ist kein
innermathematisches und kann auch nicht mit mathematischen Mitteln
angegangen werden. Ebenso wie in der Physik kann man auch in den
anderen empirischen Wissenschaften prinzipiell nur mit Falsifizierung
arbeiten, also sich daran orientieren, wie oft das Modell korrekt
war, und dass es niemals eine falsche Vorhersage macht.
Post by Klaus H.In der Allgemeinen Relativitätstheorie taucht ein Problem auf, das uns
zum Ausdruck n+1 zurückführt, in dem aus der Zahl n mittels der davon
unabhängigen Operation '+' die Zahl n+1 gebildet wird
Es ist mir nicht klar, worauf Du hinauswillst. Bei Lösungen
der Einsteingleichungen etwa findet man sicher viele Kopien der
natürlichen Zahlen, wie auch in Lösungen vieler anderer
Gleichungen.
Ob die Peano-Axiome für eine solche vermutete Kopie bei einer
bestimmten Lösung gelten, kann man u.U. mathematisch
verifizieren. Ob die Einsteingleichungen natürlich tatsächlich
das Universum beschreiben (darum geht es Dir ja anscheinend),
kann innermathematisch nicht beantwortet werden, und deshalb
hat diese Frage auch z.B. mit den Peano-Axiomen nichts zu tun.
Nun zu der eingangs versprochenen Plausibilität:
Ziel ist es, in einer hinreichend mächtigen logischen Sprache
(was eine logische Sprache ist, möchte ich jetzt nicht im
Detail definieren, aber es geht um formale logische Ausdrücke;
als Beispiel sollte man ZF im Kopf haben),
die natürlichen Zahlen zu definieren.
Für endlich viele, sagen wir mal der Einfachheit
halber nur 1, 2, 3, ist das (hinreichende Mächtigkeit
der Sprache vorausgesetzt) überhaupt keine Kunst:
Je nach Objekten, über die man in der logischen Sprache
spricht, können diese 3 Zahlen etwa spezielle Mengen sein
(in der Sprache ZF etwa {}, {{}}, {{{}}} oder die ersten
3 von-Neumann-Zahlen) oder von mir aus auch so etwas
wie Strichlisten, oder aber logische Ausdrücke, die
diese 3 Objekte durch die Sprache eindeutig charakterisieren,
oder schlichtweg Konstanten A_1, A_2, A_3 (wobei der
Index hier ein Symbol der Metasprache ist), die
verschiedene Objekte bezeichnen.
Die Definition wird man dabei so festlegen, dass man bereits
eine Nachfolgeoperation im Hinterkopf hat, also gedanklich
„genau weiß“, wie man zum Nachfolger einer Zahl gelangt,
so dass es also auch keine Kunst ist, diese endliche folge
endlich weiter fortzusetzen, etwa bis 10, 100, 10000 oder mehr.
Aber dann beginnt ja erst das eigentliche Problem, denn wir
haben damit alleine die natürlichen Zahen eben *nicht*
definiert:
Was wir definiert haben, ist sinngemäß bislang nur so etwas:
1 ist eine natürliche Zahl
2 ist eine natürliche Zahl
3 ist eine natürliche Zahl
ev. eine längere endliche Folge.
Wie Du selbst auch geschrieben hast, müssten wir jetzt das
„Wissen vom Hinterkopf” formalisieren, also die
Nachfolge-Operation beschreiben. Wenn wir Konstanten
oder logische Ausdrücke zur Definition hergenommen haben,
können wir das aber in allgemeiner Form nicht innerhalb der
logischen Sprache selbst tun: Wir benötigen dann eine Sprache,
die in der Lage ist, über Zeichenketten-Manipulationen innerhalb
unserer logischen Sprache selbst zu reden:
Wenn diese Hintergrundsprache - also eine Metasprache -
aber so mächtig ist, dass sie Manipulationen von
(unendlich vielen) Aussagen der logischen Sprache machen kann,
dann muss diese Hintergrundsprache bereits implizit die
Menge der natürlichen Zahlen eingebaut haben: Also hat man
nichts anderes erreicht, als die natürlichen Zahlen zu
definieren, indem man sich letztlich auf anstrakte Objekte
einer Metasprache bezieht.
Eine solche Beschreibung nennt man Logik 2. Stufe.
Und genau so funktioniert das Induktionsprinzips in der
üblichen Formulierung: Es bedient sich einer Mengenlehre,
die die Menge der natürlichen Zahlen bereits enthält, als
Teil der Hintergrundsprache.
Falls die logische Sprache selbst über Mengen spricht,
kann man die Logik 2. Stufe vermeiden, man erhält dann aber
nur eine Menge der natürliche Zahlen, und nicht mehr logische
Ausdrücke der Sprache für die natürlichen Zahlen.
Grob gesprochen: Man findet dadurch die natürlichen Zahlen
als Mengen wieder, aber nicht als Objekte der Metasprache.
Der Clou ist nun - und das habe ich im Posting über
Nichstandard-Analysis gezeigt - dass diese Objekte
(die natürlichen Zahlen als Mengen und als Objekte
der Metasprache) anders als man vermuten könnte, i.a.
keine eindeutige Zuordnung zueinander haben:
In der internen Mengenlehre enthält die Menge der
natürlichen Zahlen Elemente, die *nicht* mehr durch einen
Ausdruck der logischen Sprache beschrieben werden können,
also grob gesprochen:
Es gibt also natürliche Zahlen, die keine Ausdrücke/Konstanten
der Metasprache sind. Dies liegt daran, dass in diesem
Fall die Mengenlehre der Hintergrundsprache nicht mit der
durch die logische Sprache beschriebenen internen
Mengenlehre übereinstimmt.